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20.12.2019
Amrum wider Willen…
Das Wochenende wird perfekt! Angesagte 32°C, mit 8 Knoten aus Osten nahezu Windstill und Hochwasser ist heute bereits um 17:00 Uhr.
Die für Samstag geplante Party muss leider abgesagt werden. Es sind die optimalen Bedingungen um nach Helgoland aufzubrechen.
Den Vormittag nutze ich, um in Ruhe zu packen bevor ich ins Büro fahre. Je näher der Feierabend rückt, desto seltsamer erscheint mir das Wetter. Wird es da hinten etwa dunkel am Himmel? Kühlt die Luft gerade ab? Nochmal checke ich alle Vorhersagen und bin wieder beruhigt. Es scheint nur eine einzige Wolke zu sein, das ist gleich wieder vorbei.
Wir treffen uns um 18:00 Uhr an der Slipstelle, Frank hat die SeaQuest vorbereitet und wartet bereits auf mich. Noch ein schneller Blick über den Deich: Nee, da sind nichtmal Schaumkrönchen. Wird schon alles gut sein.
Kurze Zeit später sind wir dann auch schon auf dem Wasser. Im Priel der uns zum Heverstrom hinaus führt ist alles wie erwartet ruhig. Es ist zwar ein ganz kleines bisschen welliger als gedacht, das liegt aber bestimmt daran dass Strömung und Windrichtung entgegengesetzt sind. Der Wind kommt plötzlich aus Westen, also haben wir Gegenwind statt des angesagten Rückenwindes. Gleich da vorne nach der nächsten Kurve ist das wieder weg.
Eine ganze Weile lang reden wir uns ein, dass “gleich nach der nächsten Kurve” alles besser wird und wir den versprochenen windstillen Sommerabend bekommen. Und dabei gibt es gar nicht so viele Kurven auf unserer Strecke…
Das Wasser wird unruhiger, die Wellen werden höher und kreuzen von allen Seiten. Frank ist sichtlich konzentriert, die SeaQuest ruhig zu halten und ich werde immer stiller.
Umdrehen können wir nicht mehr, da die Slipstelle trocken liegt bis wir dort ankommen würden. Frank verspricht mir, dass das Schlimmste die Außenbarren (siehe Revierführer, Kap. 5 “Seegaten”) sind. Wenn wir die geschafft haben, dann wird es auf jeden Fall ruhiger! Er checkt sicherheitshalber noch einmal die Vorhersagen und ist sich ganz sicher.
Inzwischen haben wir 2-3 Meter Welle. Von dem krampfhaften Festhalten sind meine Fingerknöchel schon ganz weiß und der Rücken schmerzt. Gleich haben wir es geschafft. Gleich haben wir es geschafft. Gleich haben wir… Die SeaQuest hebt ab und ich höre auf zu atmen. Der Motor heult auf als der Propeller den Kontakt zum Wasser verliert. Während dieser Millisekunde in der wir fast senkrecht in der Luft stehen bin ich ganz sicher, dass gleich der Bug nach hinten weg fällt und wir uns rückwärts überschlagen. Bei dem Seegang wird man unsere leblosen Körper wahrscheinlich irgendwo kur vor Cuxhaven finden.
Stop! Pause! Frank dreht die Geschwindigkeit runter um zu beratschlagen, was wir nun machen. Es ist noch nicht einmal die Hälfte der Strecke geschafft und langsam gestehen wir uns ein, dass die See nicht ruhiger werden will.
Also ändern wir unseren Plan. Weiter gegen den Wind nach Helgoland ist für uns keine Option. Wir drehen ab nach Norden und steuern Amrum an. Jetzt haben wir die Wellen nicht mehr frontal, sondern können sie schräg seitlich anfahren.
Um 19:00 Uhr ist endlich Land in Sicht. Wir sind seit etwas über einer Stunde auf dem Wasser und ich bin so froh, bald auf festem Boden zu stehen. Die riesigen Sanddünen von Amrum wirken aus der Ferne wie hohe Felsklippen. Mit jedem Meter den wir der Insel näher kommen, sind die Dünen deutlicher und deutlicher zu erkennen. Der Anblick ist atemberaubend.
Eine Stunde später haben wir einen Liegeplatz im Amrumer Yachtclub gefunden. Schnell alles vertäuen und ins Büro zur Anmeldung. Hier werden wir nach Namen und Heimathafen gefragt. Frank schaut mich etwas unbeholfen an – wir haben keinen so richtigen Heimathafen. “Unabhängiger Seefahrer” antwortet er ganz trocken. Das Mädel auf der anderen Seite des Tresen grinst breit “PIRAT. Alles klar.” und notiert die Daten.
Praktischerweise befindet sich das Büro des Hafenmeisters im Amrumer Yachtclub in einem Restaurant. Ein Bier bitte!
Anschließend folgt das übliche Ritual: Boot trocken wischen, Grill vorbereiten, Zelt aufbauen.
Nach dem Abendessen gehen wir noch eine kleine Runde auf einem der Holzbohlenpfade runter zum Nehrungssee und schlendern durch die Dünen bis es dunkel wird.
Samstag 22.06.2019
Die ersten Strahlen eines tiefroten Sonnenaufgangs, leichtes rauschen des Wassers und singende Möwen. Zwar schlafe ich auf der SeaQuest besser als Zuhause in meinem eigenen Bett, jedoch kann ich nicht umher, so früh wie möglich aufzustehen wenn wir unterwegs sind. Also krabbel ich auch dieses mal noch vor 08:00 Uhr aus dem Zelt und erkunde die Insel. Auch hier fällt mir auf, wie friedlich doch alles ist wenn die ganzen Menschen noch schlafen.
Der ein oder andere Jogger nickt mir freundlich zu. Es ist nicht ganz so Menschenleer wie auf Helgoland aber auch hier scheint die Zeit einfach langsamer und entspannter zu vergehen.
Eine knappe Stunde später komme ich mit frischen Brötchen wieder zurück an unseren Liegeplatz.
Nach unserem ausgiebigen Frühstück wird es nun ein kleines Bisschen Stressig. Heute ist mein Geburtstag und ein ganz lieber Freund hat angekündigt, mich an meinem Geburtstag zu besuchen – egal wo ich gerade sei. Wir müssen uns beeilen, damit wir rechtzeitig an der Fähre sind um ihn zu treffen.
Für meinen Besuch ist es, genau wie für mich, der erste Besuch auf Amrum.
Da es schon fast Mittag ist, entscheiden wir uns, erst noch schnell ein Fischbrötchen zu essen bevor wir uns auf den Weg in die Dünen machen. Die besten Fischbrötchen auf Amrum soll es bei “Scholle’s Fisch-Buttze” geben.
Na dann. Hätte ich vorher gewusst wie mega groß und wie verdammt lecker diese Fischbrötchen sind, hätte ich mir das Frühstück gespart!
Nach dem Mittagessen steuern wir auf direktem Wege den Kniepsand im Süden der Insel an. Der erste Kilometer ist entspannt. Der Sand ist relativ fest, somit lässt sich gut drauf laufen. Die brennende Mittagssonne macht uns jedoch schon ein wenig zu schaffen. Wir wählen den Weg auf den Holzbohlenpfaden. Hier ist zumindest etwas Schatten.
Nach ca. 2 Kilometern endet der Weg jedoch. Am Wegesrand stehen Schilder die uns den Weg zum Leuchtturm weisen. Da muss sich doch jemand vertan haben. Da ist gar kein Weg. Nur Sand, Sand und noch mehr Sand! Meine beiden Begleiter sind sich jedoch sicher, dass dies der Weg zum Leuchtturm sein muss. Also stapfen wir durch den weichen Sand. Immer und immer wieder versinken meine Füße bis zu den Knien in den Dünen. Es geht bergauf und bergab. Gefühlt wesentlich öfter bergauf als bergab. Immerhin amüsieren sich die beiden köstlich über meine immer lauter werdenden Flüche.
Ungefähr einen Kilometer und unzählige “ich kann nicht mehr, lasst mich einfach hier zurück” später sind wir endlich beim Leuchtturm angekommen. Besuche und Führungen sind hier möglich, leider allerdings nicht am Wochenende. Egal, unser Hauptziel waren eh die Dünen. Wir sind wieder an der Inselstraße angekommen und gönnen uns an der nahezu gegenüberliegenden Heidekate erst einmal etwas zu trinken. Viel Zeit bleibt leider nicht, bis wir wieder zur Fähre müssen. So schön der Ausblick in den Dünen auch war; für den Rückweg entscheiden wir uns für den Weg an der Straße entlang.
Beim nächsten Mal sollten wir Amrum unbedingt mit dem Fahrrad erkunden.
Auf festem Boden laufend ist der Weg gar nicht mehr so weit und wir schaffen es rechtzeitig um unseren Besuch am Fähranleger zu verabschieden.
Es ist 17:00 Uhr. Was nun? Wie verbringen wir den restlichen Abend? Amrum hat noch viel zu bieten und wir haben noch viel zu wenig von der Insel gesehen.
Leihen wir uns doch Fahrräder und fahren nochmal an die Nordspitze? Die Idee gefällt uns, jedoch ist das nicht unbedingt der perfekte Geburtstagsabend. Der Fahrradausflug wird auf morgen verschoben.
Da wir aber eh gerade vor dem Fahrradverleih stehen, nehmen wir die Räder schon heute mit.
So können wir morgen direkt von unserem Hafen aus starten.
Jetzt schnell “nach Hause” duschen und umziehen. Insgesamt an diesem Tag gelaufene Strecke: 14,8 Km.
Heute Abend gehen wir in die Blaue Maus. Die Inselkneipe ist weit über die Grenzen Amrums hinaus bekannt für ihre riesige Auswahl an Whiskey.
Zu dem restlichen Teil des Abends halte ich mich hier etwas zurück. Nur so viel: Ein toller Laden mit superlieben Menschen- sowohl Gäste als auch Chef & Mitarbeiter.
Dass ich kein Licht an meinem Fahrrad habe ist gar nicht schlimm. Schließlich ist es schon wieder hell als wir uns auf den Rückweg machen…
Sonntag 23.06.2019
Urlaub heißt auch mal ausschlafen. Ganz besonders, wenn man gar nicht mehr so genau weiß, wie man es an dem Abend zuvor trocken vom Steg ins Boot geschafft hat. Ganz entspannt beginnen wir den Tag um 14:00 Uhr. Wäre unsere Zeit auf der Insel nicht begrenzt – heute wäre ein typischer Couch Tag ohne viel Bewegung angesagt!
Aber da wir die Fahrräder nunmal schon “vor der Tür” stehen haben packen wir schnell die Kameraausrüstung zusammen und starten unsere Tour. Auf dem Deich entlang mit Blick auf das Wattenmeer verschwinden auch die Kopfschmerzen ganz schnell. Unser erstes Ziel ist Nebel. Auf dem Friedhof der St.-Clemens-Kirche stehen die ‘Sprechenden Grabsteine’.
Die 152 unter Denkmalschutz stehenden Grabsteine erzählen von den Leben und den Geschichten der Verstorbenen. Nahezu jeder Stein ist mit einem auffälligen Symbol verziert, welches Bezug auf die verstorbene Seele nimmt. So manches mal staune ich über die vielen Details und die filigranen Arbeiten.
Anschließend fahren wir an die Westküste der Insel an den Badestrand Süddorf. Eines haben wir hierbei gelernt: Wenn das Navi dir sagt “jetzt links, in 5 Minuten hast du dein Ziel erreicht”, dann ist damit oft die Luftlinie gemeint und das Navi vergisst dabei, dass Fahrräder nicht durch den weichen Sand der Dünen fahren können.
15:00 Uhr. Wir sind endlich an unserem Ziel angekommen. Nun schnell die Fahrräder parken und nur noch eben die letzten 500 Meter zum Strand laufen. Durch die Dünen mit dem weichen Sand – versteht sich von allein.
Die Wassertemperatur lädt leider nicht unbedingt zum Baden ein aber um ein wenig mit den Füßen durchs angenehm kühle Wasser zu laufen ist es perfekt.
Nach ca. einer Stunde am Strand machen wir uns auf den Rückweg. Auf direktem Wege zum Fahrradverleih, im Stechschritt zurück zum Hafen schaffen wir es gerade rechtzeitig, bei ablaufendem Wasser den Hafen des Amrumer Yachtclub zu verlassen bevor dieser komplett trocken fällt.
Schon heute Morgen haben wir Wind- und Wetterverhältnisse gecheckt. Es wird perfekt! Zwar sind ein paar Windstärken angesagt, jedoch haben wir noch immer Westwind. In unserem Falle also Rückenwind, was die Heimfahrt schnell und angenehm gestalten wird.
Wir hätten es besser wissen sollen….
Das erste Stück fahren wir in südliche Richtung. Wir haben also den Westwind von der Seite.
Ist nicht schlimm, das hört ja gleich auf. Da wir gut in der Zeit liegen fahren wir mit gemütlicher Reisegeschwindigkeit. Ab und an schwappt mal eine Welle über die SeaQuest und somit leider auch über mich. Frank amüsiert sich jedes mal köstlich, wenn ich mitten im Satz aufhöre zu sprechen weil ich gerade den Mund voll Salzwasser habe. Nach wenigen Minuten bin ich von Kopf bis Fuß nass. Mir kommt die Vermutung, dass er die ein oder andere Welle absichtlich genau so anfährt, dass ich wieder eine schöne Dusche abbekomme. Immerhin ist es warm und das Ölzeugs hält gut trocken.
Hinter Süderoogsand ist es geschafft. Wir biegen in den Heverstrom ab und freuen uns auf den Rest der Strecke mit Rückenwind.
Interessanterweise frischt der Wind in diesem Moment auf und dreht. Die restliche Strecke legen wir also mit Gegenwind zurück. Es geht wieder so los wie auf der Hinfahrt. Die schmerzenden Fingerknöchel, die Schläge im Rücken und die blauen Flecken an den Beinen.
Mit verringerter Geschwindigkeit schaukelt alles zwar etwas mehr, die Schmerzen jedoch werden erträglicher.
Soweit ich mich erinnern kann ist dies das erste mal in dem die Windvorhersagen mal so gar nicht stimmten. Hoffen wir, dass sich das für die Zukunft wieder ändert.
20:00 Uhr. Die letzten Meter. Direkt vor uns taucht ein Seehundkopf aus dem Wasser auf und auch genauso schnell wieder ab. “SEEHUND! MOTOR AUS!” Die Biester bleiben in der Regel 5-6 Minuten unter Wasser bevor sie wieder auftauchen. Wir suchen beide das Wasser ab und hoffen, dass nichts passiert ist. Zum Glück taucht er wenige Sekunden später ein paar Meter weiter wieder auf.
Kurz darauf kommen wir an der Slipstelle an und ziehen die SeaQuest aus dem Wasser. Völlig fertig von dem Wochenende -den Ausflügen, der Nacht in der Blauen Maus und der Fahrt- haben wir jetzt nur noch eines im Kopf: Hunger!
Auf der anderen Seite des Deichs ist die Spieskommer. Ölklamotten aus, die Haare mit Wasser wieder halbwegs in ansehnliche Form gebracht und in der Hoffnung, dass wir nicht mehr ganz so verwahrlost aussehen beenden wir das Wochenende mit einer der besten Schollen die ich je gegessen habe.
Nicky
Frank - 15:40 @ Reisen, Revierführer | Kommentar hinzufügen
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